"Do not move the target to the arrow"
Target Costing: Die Preise haben die Kosten zu bestimmen
(Nicht: Die Kosten bestimmen die Preise)!
In der Vergangenheit haben Unternehmen für Preisentscheidungen in der Hauptsache die reine Kosten-Plus-Kalkulation angewandt. Wenn ein Produkt neu auf den Markt kam, mußten daher in der Regel relativ hohe Preise verlangt werden. Eine solche Vorgangsweise wird heute vor allem durch konkurrierende Unternehmen mit "schlanken Strukturen", die rasch wettbewerbsfähige "me-too"- Produkte auf den Markt bringen können, unmöglich gemacht. Um heutzutage auf den Märkten bestehen zu können oder gar Marktführerschaft zu erlangen und zu halten, muß ein Unternehmen für sein Produkt die maximal zulässigen Kosten vom "Markt" her bestimmen, d.h. die Preise diktieren die Kosten. Der Ansatz ist naheliegend und einfach.
Unter der Bezeichnung Target Costing hat diese Management-Methode Eingang in die Wissenschaft und Praxis gefunden. Eine Unternehmung, die nach Target Costing vorgeht, untersucht zuerst, was die Kunden oder Konsumenten bereit sind für ein bestimmtes Produkt zu zahlen; es "konstruiert" dann erst das Produkt in einer Weise, daß die Kosten innerhalb eines definierten Rahmens bleiben, um es noch gewinnbringend zu dem im voraus festgelegten Preis verkaufen zu können. Target Costing ermöglicht die profitable Vermarktung von Produkten, die nicht nur in der richtigen Funktionalität und Qualität angeboten werden, sondern auch zu Preisen, die von den Kunden akzeptiert werden.
Da das Ziel von Target Costing die Maximierung des Gewinns ist und nicht die Minimierung von Kosten, ist es vorrangig, die Wünsche und Präferenzen der Kunden genauestens zu kennen. Herkömmliche Marktforschung, die die Kunden eindimensional fragt: "Gefällt Ihnen A oder B besser?", fördert zu wenig Informationen zutage und ist mit ihrer direkten Fragetechnik zu Preisthemen hochgradig unzuverlässig.
Hingegen bietet das multivariate Analyse-Instrument Conjoint-Measurement effiziente Hilfe an, die sich im Praxiseinsatz schon sehr bewährt hat. Conjoint- Measurement ist ein Verfahren, das auf Basis empirisch erhobener Präferenzurteile den Beitrag einzelner Komponenten zum Gesamtnutzen mißt. Der Kunde wird gefragt, was ihm bestimmte Produktkonzepte und Produkteigenschaften wert sind. Dabei wird die reale Kaufsituation mit dem Abwägen verschiedener "Preis-Nutzen-Alternativen" simuliert. Aus den ermittelten Teilnutzenwerten läßt sich unmittelbar ablesen, wie hoch der Beitrag jeder Produkteigenschaft zum Gesamtnutzen ist und um wieviele Einheiten sich der subjektiv empfundene Nutzen ändert, wenn eine der Produkteigenschaften variiert wird.
Aus den Informationen der Kunden zu Preisvorstellungen und Nutzenbeiträgen von Produktkomponenten werden Zielkosten (Target Costs) für das Gesamtprodukt und seinen Komponenten abgeleitet. Um zufriedenstellende Gewinne zu generieren, dürfen die Kosten für das Produkt-Ganze und dessen Teile bestimmte Limits nicht überschreiten. Falls die Kosten für eine Komponente die definierten Target Costs überschreiten, kann durch geringere Kosten bei anderen Komponenten "kompensiert" werden. In der Produktentwicklungsphase liegt der Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Hier werden Kundensegmentierung, Produktpositionierung, Preise, Absatzmengen, Kosten, Produktgestaltung und Finanzziele des Unternehmens zum Optimum abgestimmt
Die Etablierung von Target Costing ist die eine Seite. Die andere ist, daß die Unternehmen ein wichtiges Grundprinzip beherzigen müssen. Falls die gesteckten Ziele nicht erreicht werden, darf das Produkt nicht eingeführt werden. Die Hoffnung, daß nach Einführung des Produktes die Kosten gesenkt werden können, ist erfahrungsgemäß kaum oder besser gesagt nicht erfüllbar. Robin Cooper und W. Bruce Chew berichteten im Harvard Business Review Jan-Feb '96 wie Target Costing bei den japanischen Firmen Olympus Optical Company für die Herstellung von Kameras und bei Komatsu für die Erzeugung von Baufahrzeugen eingesetzt wurde. Olympus führte Target Costing ein, um die Kamera-Sparte wieder in die Gewinnzone zu bringen. Wie bei vielen anderen Unternehmen war es auch bei Olympus so, daß viele "nice-to-have"-Merkmale in die Produkte aufgenommen wurden. Die Aufgabe bestand nun wieder darin, vermarktbare "need-to-have"- Konzepte zu entwickeln. Die Problemlage des Maschinenbau-Konzerns Komatsu war anders gelagert. Er bezieht viele seiner Teile von Sub-Lieferanten. Komatsu setzte das Instrument Target Costing vor allem dazu ein, um gemeinsam mit seinen Lieferanten die Kosten für Bauteile und Aggregate zu reduzieren. Die Idee des Target Costing ist grundsätzlich für alle Produkte und Dienstleistungen in allen Branchen anwendbar.
Bei tätigkeits- oder besser prozeßintensiven Bereichen gilt die Aufmerksamkeit dann vor allem den Activity-Based-Costs bzw. Prozeßkosten. Mit Hilfe von Target Costing ist es somit möglich, innerbetriebliche Prozesse marktorientiert umzusetzen und Leistungen in der von den Kunden "gewünschten Form" in einer für das Unternehmen profitablen Weise anzubieten. Target Costing ist aber nicht immer eine so einfache Sache wie hier geschildert und keine unbedingte Garantie für den Gesamterfolg. Es liefert aber die unerläßliche Ausgangsbasis, in den wettbewerbsintensiven Märkten in guter Position mitzuspielen.