Professionelles Preismanagement öffnet Gewinnpotentiale
Das Preismanagement umfaßt ein weites Feld: von der Festlegung der Preisstrategie und -positionierung über preistaktische Elemente, wie das Konditionssystem, bis zu verkaufswirksamen Preislisten und der richtigen Umsetzung durch den Verkauf.
Mit dem Preis alleine macht man noch keine Gewinne. Diese werden erst hervorgerufen durch Verkäufe, die auf wahrgenommenen Werten, wie Marke, Image, Qualität etc., im Vergleich zum Preis, basieren.
Genereller Ausgangspunkt und Priorität für alle Unternehmungen muß die Preispositionierung sein, die im Einklang zu stehen hat mit der Marketingkonzeption.
Die Wirtschaftswissenschaft hat lange Zeit keine praktikablen Instrumente für die optimale Lösung der Preisprobleme geboten. Bislang standen für Preisentscheidungen die Daten der eigenen Kostenrechnung im Vordergrund und mit ihr die beliebte Kosten-plus-Kalkulation mit traditionellen Aufschlägen bzw. Gewinnerwartungen.
Mit zunehmendem "Preisdruck" - laut Umfragen bei europäischen Managern seit einigen Jahren der allerwichtigste Faktor - versagen die herkömmlichen Methoden. Der Kunde ist zusehends besser informiert und kritischer, weiß was er will und was er zu "opfern" bereit ist, und kann zudem aus einem immer umfangreicheren Angebot wählen.
Die Vermarkter wissen in erster Linie, zu welchen Preisen sie verkaufen wollen, aber nur wenige wissen, welche Produktvorteile der Kunde wirklich schätzt und welche Geldeinheiten er jeweils dafür bereit ist herzugeben. Im übertragenen Sinn: "Der Wurm muß dem Fisch und nicht dem Angler schmecken".
Die bisherigen Preisbildungsansätze müssen diametral geändert werden und ein neuer Leitsatz muß formuliert werden: "Die Preise diktieren die Kosten".
Unter Anwendung dieser Sichtweise gelang es dem bis vor wenigen Jahre noch unbekannten amerikanischen PC- Hersteller Compaq bis an die Marktführerspitze heranzukommen und selbst in einem Markt mit "mörderischen" Preisgefechten exzellente Gewinne zu machen sowie überdurchschnittliches Wachstum zu verzeichnen.
Mit Hilfe von Marktforschung definiert Marketing die Zielpreise und entwickelt mit Forschung & Entwicklung sowie Produktion die beste Kombination von Merkmalen und Komponenten, um die Wünsche der Zielgruppen zu erfüllen. Ein Compaq-Manager formulierte prägnant: "The difference is a matter of orientation. The process starts with price and ends with cost".
Preis, Wert und Nutzen
In der realen Kaufsituation entscheidet der Kunde nie allein nur aufgrund des Preises, sondern er wiegt Preis und wahrgenommenen Wert oder Nutzen gegeneinander ab. Mittels moderner Methoden, wie der Preis-Wert-Analyse (einer Spezialanwendung der Conjoint-Analyse), können vielfältige Fragen sowohl für neue als auch bereits etablierte Produkte wie Verbrauchsgüter, Gebrauchsgüter, Investitionsgüter oder Dienstleistungen beantwortet werden:
- Was ist eine bestimmte Mehrleistung in den Bereichen Qualität, Service oder Design dem Kunden in Preiseinheiten wert?
- Was ist in Preiseinheiten der Wert einer Marke im Verhältnis zu anderen Marken?
- Wieviel ist der Kunde bereit, für eine Sonderausstattung, einen Zusatzservice etc. zu zahlen?
- Welche "Wanderungseffekte" werden durch Preisänderungen hervorgerufen?
- Welche Segmentierungskriterien wären angebracht?
- Wie ist die Preisabsatzfunktion und/oder bieten sich Preisdifferenzierungen an?
Die Preis-Wert-Analyse basiert auf interaktivem Computer-Interviewing und erlaubt die Berücksichtigung einer größeren Zahl von Produkten mit mehreren Merkmalsvarianten. Die interviewten Personen werden nicht direkt zum Preis befragt, sondern mit alternativen Produkt-Preis-Profilen, das heißt Kombinationen unterschiedlicher Merkmalsausprägungen inklusive unterschiedlicher Preise, konfrontiert. Abgefragt werden sodann lediglich Präferenzen für die vorgelegten Produkt-Preis-Alternativen. Aus diesen Angaben errechnet man die Wirkung des Preises und der übrigen einbezogenen Leistungsmerkmale. Die Ergebnisse liefern Grundlagen für Marketingkonzepte, Preisoptimierungen, Preisdifferenzierungen, Produktentwicklungen, sowohl für Produktverbesserungen als auch Produkt-"Abmagerungen", Bündelangebote, Promotionevaluierung und anderes. Die stärkere Beachtung des sensiblen Faktors Preis kann den Unternehmen bisher unausgeschöpfte Gewinnpotentiale liefern.
von Leonhard Kehl, veröffentlicht in "Die Presse" - Unternehmensberatung & Consulting,
Donnerstag, 3. November 1994